„Hörst Du Stimmen in der Höhe?
In der Ferne, in der Nähe?
Ja, den ganzen Berg entlang
strömt ein wütender Zaubergesang!“
– so lässt schon Goethe im „Faust“ seinen Mephisto die Walpurgisnacht beschreiben. Auch heute zieht die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai tausende „Hexen“ auf den Brocken. Zunächst versammeln sich die Feierlustigen am Abend, um dann gemeinsam im sogenannten Hexenflug auf Tieren, Besen und anderen Gerätschaften auf den Brocken zu „fliegen“, um sich dort mit den Teufel zu vermählen und bis zum Morgen wüst zu feiern.
Bereits seit dem 17. Jahrhundert sagte man im Harz dem Brocken bzw. Blocksberg nach, Versammlungsort von Hexen zu sein. Mit der Zeit verebbte die Angst vor den teuflischen Mächten, und die ersten kostümierten Walpurgisfeiern wurden ausgerichtet. 1896 fand dann die Feier der Walpurgisnacht erstmals offiziell auf dem Brocken statt – wurde aber schon 1901 vom Eigentümer wieder verboten und ist es bis heute geblieben. Dafür werden seitdem in über 40 Harzgemeinden und auf den Zufahrtsstraßen zum Brocken Walpurgisfeste veranstaltet. Das ehemals teuflische Fest hat sich zu einem folkloristischen Massenevent entwickelt, das jedes Jahr zehntausende Touristen in den Harz lockt und vielerorts mit einem großen kulturellen Rahmenprogramm zelebriert wird.
Der Hexenbrauch geht zurück auf vorchristliche Zeiten – die Walpurgisnacht gehört ursprünglich zu den keltischen Feuerfesten. Unter dem Namen Beltane markierte diese Nacht den Beginn des Sommers. Nach dem Volksglauben verloren die Wesen der Finsternis ihre Macht mit dem Sonnenaufgang an die Geschöpfe des Lichts, daher nutzten sie diese Nacht zu einem letzten ausschweifenden Fest. Mit großen Feuern wurde der Sieg des Lichts über die Finsternis gefeiert, auch Menschenopfer gehörten zum Ritual. Durch die Umwidmung des Feiertags auf die heilige Walburga versuchte man im frühen Mittelalter, die Ausschweifungen zu verhindern, die die Feiern traditionell begleiteten. Allerdings war diese Taktik nur mäßig erfolgreich, und aus der Vermischung von heidnischer Sage und christlicher Legende entstand die Vorstellung vom Hexensabbat auf dem Brocken.
Heute fließt in der Walpurgisnacht kein Blut mehr, und auch die Feuer sollen nicht mehr die Geschöpfe der Hölle bannen. Der Faszination, die von dem Hexenflug bis heute ausgeht, scheint das aber keinen Abbruch zu tun. Wieder werden tausende kostümierte „Hexen“ und „Teufel“ den Harz unsicher machen und um Mitternacht am Harzer Hexen-Steg lauern.
Eine der Harzer Hochburgen der Feierlichkeiten zur Walpurgisnacht ist Thale, wo auf dem sogenannten Hexentanzplatz ab dem Abend ein riesiges Fest stattfindet. Das schrecklich-schöne Spektakel findet seit 1988 jedes Jahr statt und zieht Touristen aus aller Welt an. Ein großes Feuer wird bei Sonnenuntergang entzündet und im Hexentanz umrundet, bis ab Mitternacht Mephisto die Macht übernimmt.
Und wieder wird wahr, was schon Goethe beschreibt:
„Da sieh nur hin! Du siehst das Ende kaum,
ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt –
nun sage mir, wo es was Bess’res gibt?“