Anflug Barcelona - Foto: InterDomizil
Anflug Barcelona – Foto: InterDomizil

Als ich aus dem Flughafengebäude trete, glaube ich für einige Sekunden, blind geworden zu sein. Noch vor drei Stunden hatte ich das grautrübe, verregnete Berlin verlassen, jetzt knallt die grelle, spanische Mittagssonne vom Himmel, brennt sich auffallend in meine norddeutsche Haut. Große Palmen säumen die Straße. Schwarz-gelbe Taxis warten auf Neuankömmlinge. Schnell fummle ich meinen Strohhut aus meiner schwarzen Reisetasche, er ist zwar ordentlich zerknautscht und mitgenommen, gibt mir aber den ersehnten Sonnenschutz. Erst einmal durchatmen. Als ich in dem Gewimmel der vielen bunten Linien endlich den richtigen Bus gefunden habe, geht mein Urlaub im fremden Land endlich richtig los. Ich staune mit geschlossenem Mund. Überall die typischen Mittelmeerbauten aus beigefarbenem Sandstein, der sich prägnant vom Himmelsblau abhebt. Von Stahl, Beton oder Glas, wie in meiner Heimatstadt Hamburg, weit und breit keine Spur. Ab und zu erhebt sich der Staub und wirbelt in einer großen, ausgefransten Wolke über die Straße. Meine Mitfahrer im Bus sprechen laut, mit wild gestikulierenden Händen, wohl katalanisch. Mein erster Halt: Placa de Espanya. Der große Platz am Fuße des Montjuic (der 173 Meter hohe Hausberg Barcelonas), mit der umgebauten Stierkampfarena, den Venetian Towers und dem eindrucksvollen Palau Nacional, das katalanische Kunst beherbergt. Schnell einige Fotos knipsen und dann weiter zur Ferienwohnung. Erst einmal ankommen im neuen Land und die nächsten Tage planen.

Bummeln in der La Rambla

Gleich am Sonntag entscheide ich mich, die wohl berühmteste Straße Barcelonas zu entdecken. La Rambla, die Lebensader Barcelonas. Die Promenade verbindet das zentrumsnahe Placa de Catalunya – das Bindeglied zwischen Alt- und Neustadt – mit dem Hafen. Sofort fallen mir die vielen Souvenirstände auf. Sie bieten Typisches in Regenbogenfarben: Flamencokleidchen für Mädchen, Mosaikteller und Mobiles, Schlüsselanhänger in Gaudi-Bunt, immer wieder Selfie-Sticks, ab und zu Blumensamen. Mein Portemonnaie sperrt sich bei diesem Angebot. Dafür verspüre ich große Lust, ein Foto nach dem anderen zu schießen, der Speicher meines Smartphones füllt sich schnell. Außerdem: FCB Barcelona überall, der Fußballverein, der die spanischen Herzen schneller schlagen lässt. Blau-rot-gestreifte Trikots von Superstar Messi in Kindergröße, Small bis XXXL. Das ideale Mitbringsel für meine fußballbegeisterte Mama. Die Verhandlungen mit dem Verkäufer in dem engen Laden beginnen. Nach und nach holt er verschiedene Shirts in allen möglichen Größen hervor, holt sie aus der Plastikverpackung, streicht den Stoff glatt, blickt mich erwartungsvoll an. Ich kann mich nicht entscheiden. Als ich nach einem Ronaldo-Shirt frage, auch ein Liebling von Mama, reagiert er empört, holt das knallig rosa Ding dann aber doch aus dem Lager. Mit meinem ersten Geschenk in der Tasche, erkunde ich weiter die lange Einkaufsstraße. Abends qualmen die Füße, auch mein Smarthone musste ordentlich arbeiten, ich gönne ihm im in meiner Ferienwohnung eine wohlverdiente Pause an der Steckdose.

Vereinstreue wird in Barcelona groß geschrieben - Foto: InterDomizil
Vereinstreue wird in Barcelona groß geschrieben – Foto: InterDomizil

Zwei Tage später die Mercat de la Bouqueria, eine der bekanntesten Markthallen der Stadt. Umgeben von bummelnden Menschen betrete ich die Halle, in der es aus allen Ecken nach Essen riecht. Vor allem Fisch und Meeresfrüchte. Ausgebreitet auf Eis liegen da Tintenfische, präsentieren mir ihr weißes Innenleben, bereits vorbereitet für ihren Einsatz auf dem Gourmetteller, Schnecken, Austern, Fische mit weit geöffneten Mündern. Mein vegetarisches Ich muss schlucken. Ich gehe schnell weiter. Nüsse, getrocknete Gewürze, Früchte, Brot, alles frisch und meterhoch aufgestapelt. Gewürze und Salz. Schwarz, weiß oder mit Mangogeschmack. Ich entscheide mich für eine Tüte Sesam mit Feigengeschmack.

Eingang zum wohl berühmtesten Markt Barcelonas – Foto: InterDomizil
Leckereien für Jedermann - Foto: InterDomizil
Leckereien für Jedermann – Foto: InterDomizil

In der U-Bahn kurz durchatmen, immerhin steigt das Thermometer hier auf 30 Grad. Wie fast alle größeren Geschäfte ist auch die U-Bahn angenehm kühl. Dennoch fächeln sich viele Frauen, auch Männer, erfrischende Luft zu. Überhaupt scheinen diese Fächer ja hier sehr beliebt zu sein. Mal schauen, wo ich mein eigenes Exemplar kaufen kann. Wenig später kämpfe ich mit den Temperaturen, zwischen einzelnen Umsteigestationen muss ich viele Meter laufen, zwar abgelenkt durch Untergrundmusik, doch die schwüle Hitze treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn.

In der Altstadt Barcelonas: Barri Gotic

Am nächsten Tag steht das nächste Highlight auf dem Urlaubsplan: das gotische Viertel, das sich nördlich von La Rambla erstreckt. Barri Gotic erinnert an einen steinernen Irrgarten, ich könnte Tage, ja Wochen hier verbringen. Ich verliebe mich auf den ersten Blick. Romantische Laternen, schick in Pastell getauchte Hauswände mit dem Charme vergangener Jahrzehnte, eine Kirche nach der anderen. Alles etwas alt hier, aber so schön retro! Ich tauche ein in die vielen Gassen, eine enger als die nächste. Melancholische Gitarrenmusik hallt durch die Straßen. Ich fühle mich, als wäre ich zuhause angekommen. Gusseiserne Balkone, an denen bunte Wäsche hängt. Ornamentverzierte Fassaden, der Geruch von Kräutern. Plötzlich durchströmt mich ein intensives Gefühl von Amsterdam. Viele kleine Läden buhlen um meine Aufmerksamkeit. Da ist der ein oder andere Concept Store, eingeklemmt zwischen Marihuana-Museum und Hipster-Kneipe, kleine Räume voller Süßigkeiten, Künstler, die ihre Arbeiten ausstellen, der ein oder andere Desigual-Laden. Dann ein Laden ganz nach meinem Geschmack: der Kleiderladen „Flamingo Vintage Kilo“. Hier finde ich einen ganzen Kleiderständer mit Punkten; gepunktete Blusen, Röcke, Taschen – ja Punkte im Überfluss. Ich zücke meinen neuen Fächer und wühle mich in dem stickigen Laden durch die Schätze.

Vintage Laden - Foto: InterDomizil
Vintage Laden – Foto: InterDomizil
Shoppen in Barcelona - Foto: InterDomizil
Shoppen in Barcelona – Foto: InterDomizil

Durch Zufall stoße ich auf die Kathedrale, mit vollem Namen heißt sie La Catedral de la Santa Creu i Santa Eulàlia. Ein Glanzstück der Gotik. Die hoch aufragenden Türme erinnern an Sandburgen, von Königen zusammengesetzt. Auf dem großen Platz sehe ich viele Restaurants, Cafés, müde Urlauber, die ihre Füße ausruhen, sich in der Sonne aalen. Einfach nur da sind, im fremden Land, gemeinsam mit all den anderen Menschen auf der Erkundungstour durch diese lebendige Stadt. Vor dem Eingang wieder die Verkäufer. Wasserflasche oder Selfiestick. Gerne möchte ich die Kirche betreten, doch der Eintritt kostet 7 Euro. Außerdem habe ich meine Strickjacke zuhause gelassen, ein Tuch habe ich nicht eingepackt. Am dritten Urlaubstag ist Sagrada Familia gebucht, eine weitere Kathedrale und Gaudis unvollendetes Meisterwerk.

Passeig de Gracia: Gaudi und Gucci

Mein nächstes Ziel steht fest: die zwei Gaudi-Häuser im Stadtteil Eixample. Ein Luxuslabel-Laden reiht sich hier an den nächsten, Ku‘ damm in Spanien. Bullig aussehende Sicherheitsmänner stehen vor dem Eingang, schauen grimmig. Handtaschen in Miniaturformat zum Maxipreis. Ich laufe auf Anhieb in die richtige Richtung. Nur wenige Meter von der U-Bahn-Station eine Menschentraube, die in den Himmel blickt. Als auch ich hochschauen möchte, macht mir die helle spanische Sonne einen Strich durch die Rechnung, viel sehen kann ich nicht. Ich muss auf die andere Straßenseite, um Casa Batllo in ganzer Pracht sehen zu können. Organische Formen prägen das Haus, die Balkone wirken wie schmollende Münder, die Fensterfronten getragen von menschlichen Rippen. Die Textur der Häuserfassade erinnert an ein Mosaik, das zerbrochen ist und im kaputten Zustand wieder zusammengefügt wurde. Wie Hundertwasser, nur nicht ganz so bunt. Den Eintrittspreis von 22,50 € spare ich mir, auch, weil die Schlange an der Kasse viel zu lang ist. Doch nur wenige Meter weiter gleich der nächste Gaudi-Entwurf, La Pedrera, auch als Casa Mila bekannt, mit einem Eintrittspreis von 20,50€ fast schon ein Barcelona-Schnäppchen. Aus der Entfernung wirkt es so, als hätten Wellen den Stein geformt, die archaisch wirkenden Balkone mit ihren gekrümmten Metallgeländern scheinen so gar nicht zu zur harmonischen Fassade zu passen. Auf der Dachterrasse eine weitere Überraschung, Kamine, die in Skulpturen in Menschenform daherkommen, in Wahrheit aber Treppen oder Wasserspeicher beherbergen. Eingeklemmt zwischen Batllo und Mila der Zankapfel, ein üppig verziertes Haus, das direkt aus dem Orient zu kommen scheint. Schnörkel im Übermaß. Außerdem ein prächtiges Beispiel für den katalanischen Modernismus.

Zwischen den Leuten entdecke ich auf einmal Greg, den amerikanischen Touristen, der mir im Flughafenbus zum ersten Mal begegnet bin. Die Hitze sei er gewöhnt, meinte er damals, schließlich kommt er aus San Diego. In den nächsten Tagen werden wir uns noch zwei Mal begegnen, mitten in Barcelona. Wir teilen Eindrücke, halten kurz inne und machen uns dann auf zur nächsten Sehenswürdigkeit. Gemeinsam mit Tausenden anderer Urlauber. Zwei Fremde in der Ferne. Wir kommen einander nicht näher, beobachten einander beim Selfie knipsen, fahren gemeinsam den Turm der Sagrada Familia hoch, schwitzen in der Hitze, immer mit dem erwartungsvollen Grinsen im Gesicht. Immerhin sind wir in einer der großartigsten Städte der Welt, oder? Ich muss wohl doch noch einmal wiederkommen, vielleicht werden dann aus Fremden Vertraute.

Zu entdecken gibt es hier von innen wie von aussen - Segrada de Familia
Zu entdecken gibt es hier von innen wie von aussen – Segrada de Familia
Sagrada Familia - das Bauwerk von Gaudi schlechthin - Foto: InterDomizil
Sagrada Familia – das Bauwerk von Gaudi schlechthin – Foto: InterDomizil
Barcelona - noch nicht vorbei? - Foto: Unsplash (CCZero)
Barcelona – noch nicht vorbei? – Foto: Unsplash (CCZero)

 

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